Vom Pferdehaar bis zum neuesten PDO Faden

Dermatologin Dr. Doris Grablowitz, Autorin des Buches "Beauty Secrets" (Herder Verlag, 2016), zum Thema Faden-Lifting.

Jedes Kind weiß, dass man mit einem Faden alles Mögliche wieder zusammenflicken kann. Aber würden Sie sich trauen, eine offene Wunde mit Hanf zu vernähen? Die Menschen haben im Lauf der Geschichte nicht nur Hanf und Gräser, sondern auch getrocknete Tierdärme, Sehnen, dünne Hautstreifen, ja sogar Frauenhaar und Baumwolle zum Schließen von Wunden verwendet. Die Chinesen entdeckten sogar schon im 3. Jahrhundert vor Christus , was bei uns in Europa erst 1850 vom Chirurgen Gustav Simon offiziell in den Operationssälen eingeführt wurde: Die Pferdehaare als Nahtmaterial. Später wurden vor allem Naturseide und speziell aufbereiteter Schafdarm (Catgut) verwendet, heute arbeitet man fast ausschließlich mit hochmodernen Kunstfasern.

Aber Fäden besitzen noch eine andere hochinteressante Funktion. Schon im Mittelalter haben Schönheitspioniere festgestellt, dass gedrehte Pferde- oder Menschenhaare in Wunden eingelegt das Gewebe festigen und straffen. Sogar noch früher, im alten Ägypten wurden Fäden in die Haut gezogen, um Gesichtszüge zu betonen. Da man Goldfäden in Gräbern gefunden hat, sagt man Kleopatra nach, dass die Fäden die Ursache ihrer Schönheit gewesen sein könnten. Zum Zeitpunkt ihres Todes mit 39 Jahren soll sie den Hautzustand eines 18-jährigen Mädchens besessen haben.

Viel später, in den 80er Jahren, als die Gold- und Platinfäden endlich auch bei uns auf den Markt kamen, war es die schöne Catherine Deneuve, die sich angeblich meterlange Goldfäden einziehen ließ, um ihr jugendliches Aussehen zu erhalten. Da die Goldfäden aber teuer waren und zu dem weitere Operationen und bestimmte Behandlungen unmöglich machten, kamen sie bald aus der Mode. Ersetzt wurden sie durch pralle Weichfäden, auch „Marshmallows“ genannt, die besonders gerne als nicht spürbares, kussechtes Material zur permanenten Lippenfüllung herangezogen wurden. Damit machten sie den damals gängigen permanenten Silikonlippen große Konkurrenz. Denn diese besaßen als besonderen Nachteil ein spürbar hartes Silikonwürstchen, das sich durch die ganze Lippenlänge zog. Da die weichen Marshmallows jedoch immer wieder Unverträglichkeitsprobleme hervorriefen, griffen die Schönheitsärzte schließlich auf die in der Chirurgie schon lange bekannten Gortex Fäden zurück. Sie waren zwar nicht so weich und so dick, aber billiger und verträglicher und konnten gebündelt sogar tiefe Nasenlippenfalten glätten.

In den 90er Jahren stellten 2 Russen, Vater und Sohn Sulamanizde, Kunststofffäden mit winzigen Widerhaken zur Gewebefixierung vor. Bis heute wurden sie in allen Varianten kopiert, besitzen aber den Nachteil, dass sie für immer im Gewebe bleiben und manchmal unerwünschte Fadenrisse, Verschiebungen oder Narben erzeugen.

1959 wurden von Dr. Kim Dong Jun zarteste Fäden mit einer hohlen Nadel zur Akupunktur von Muskeln und Sehnen in die Rückenmuskulatur eingezogen. Sie sollten die Muskeln stimulieren und die Schmerzen lindern, zeigten aber eine zusätzliche Eigenschaft: Sie strafften und festigten das betroffene Gewebe. Eine Frage der Zeit, bis die asiatischen Ärzte diese Entdeckung aufgriffen, die hauchdünnen, biologisch abbaubaren Fädchen zur Hautverjüngung einsetzen-

Auf Grund der Sprachbarriere eroberten diese  „Minithreads“, oder auch „Phantomfäden“ oder auch „PDO Fäden“ genannt, vom asiatischen Raum aus zuerst Frankreich, kurz darauf das Nachbarland Spanien, wo sie eine Faden-Euphorie auslösten. Denn der Eingriff ist kostengünstig, kurz, schmerzlos, und fast vollständig unblutig, weil Nadel und Fädchen hauchdünn sind.

Als wir vor ca. 5 Jahren zum ersten Mal in das südkoreanische Geheimnis der PDO Fädchen eingeweiht wurden, waren unsere Lehrer noch sehr vorsichtig. Zur Rejuvination eines relativ jungen Gesichtes wurden höchstens 20 glatte Fäden in die Haut gelegt, zum Hochziehen der Mundwinkel ca.10 glatte kurze und zum Füllen der Jochbögen höchstens 6 zarte, aber lange Fäden. In der Zwischenzeit hat sich die Faden Euphorie zu einem Boom und einer großen Industrie entwickelt. Die südkoreanischen Hersteller bringen jährlich -zig neue Fäden heraus, unterschiedlich nicht nur in Größe, Dicke und Form, sondern bestückt mit den vielfältigsten Häkchen, die sich im Gewebe fest verankern und somit den Lifting Prozess zu einem Kult werden lassen. Heute setzen wir für einen Verjüngungsprozess pro Gesicht zwischen 40-300 Fädchen ein und es gibt kaum eine Stelle auf der Haut die mit Fädchen nicht verbessert werden kann. Ob es sich nun um Falten im Gesicht, am Hals, Dekolleté oder um die Knie handelt, oder um hängende Hautpartien, Narben, Cellulite, Schwangerschaftsstreifen und Besenreiser. Sogar zum Abnehmen gibt es spezielle Fäden, die über dem Magen im Brustbein-Areal eingesetzt werden.

Die Behandlung

Mit einer speziellen, extrem dünnen Applikationsnadel wird das Fädchen, das sowohl in der Nadel als auch an deren Außenseite geführt ist, über einen winzigen Einstich in das Gewebe implantiert, und anschließend die leere Nadel herausgezogen. Das an einer Nadel auffällig platzierte Schaumgummiröllchen (an ihm erkennt man die PDO Fäden) hat die Aufgabe den außen befindlichen Teil des Fadens an der Nadel zu fixieren. Die Fäden bleiben je nach Dicke ca. 3-6 Monate im Gewebe und lösen sich langsam auf. In dieser Zeit regen sie die körpereigene Kollagenproduktion an, wodurch das umliegende Gewebe gestrafft, sowie gefestigt wird. Zusätzlich nehmen die Falten ab und das Volumen zu. Die erste Verbesserung zeigt sich unmittelbar nach dem Eingriff, der Endeffekt ist nach 2-4 Monaten erreicht und hält in der Regel ein bis eineinhalb Jahre an. Jederzeit, auch innerhalb dieser Zeitspanne, kann ohne Probleme nachbehandelt werden.

Im Gegensatz zu anderen Faden-Liftings wird mit den Phantomfädchen das Gewebe nicht ausschließlich in eine neue Position gezogen, sondern eine Straffung durch Kollagenbildung bewirkt. Diese Art, des „Soften-Liftings“, eignet sich besonders gut, wenn sich erste, leichte Hauterschlaffungen ohne zu großen Hautüberschuss, im Gesicht zeigen. Aber die Erfolge sind auch bei älteren Patienten bemerkenswert, besonders mit Häkchenfäden, wenn die Haut stark hängt und ein operatives Lifting abgelehnt wird.

Aber nicht nur im Gesicht, diese Methode kann auch an anderen Körperteilen durchgeführt werden, die Straffung oder Füllung benötigten. Die Phantomfäden werden auch am Hals, Decollete, bei schlaffen Oberarmen, Oberschenkel, zur Gesäß- /Bruststraffung und auch gegen Dehnungsstreifen eingesetzt. Der Verjüngungseffekt ist erstaunlich groß und das Ergebnis sieht sehr natürlich aus, weil die Fädchen kein „Füllmaterial“ im eigentlichen Sinne sind.

Außerdem gibt es noch andere große Vorteile. Die Methode kann problemlos mit anderen Beauty-Therapien kombiniert werden. Die Phantom- Fädchen sind extrem verträglich, man braucht nur winzige Einstiche um sie ins Gewebe zu setzen, keine größeren Einschnitte. Daher gibt es auch keine Narben und das Entzündungsrisiko ist gering. Nach der Behandlung ist man sofort wieder einsatzfähig, sollte aber große Anstrengungen, zu viel Sport und Sonne meiden. Manchmal kann es zu leichten Blutergüssen (die problemlos überschminkt werden können) und Schwellungen kommen, die aber nach wenigen Tagen rasch wieder abklingen. Sonst sind keine Vorsichtsmaßnahmen nötig, der Patient kann sofort und uneingeschränkt seinem normalen Tagesablauf nachgehen.

Ein perfektes Lifting für alle, die große Eingriffe scheuen, aber trotzdem den größtmöglichen Effekt wünschen.

So erstürmen die Phantomfädchen weiterhin den europäischen Raum. Werden sie unseren derzeitigen Lieblingsfiller Hyaluron vom Markt vertreiben? Sicherlich nicht, aber sie haben das Spielfeld der Schönheitsbehandlungen um eine brandneue, sehr erfolgreiche, zeitgemäße und vor allem kostengünstige Methode erweitert. Trotzdem hat die ganze Sache einen Haken. Wer eifrig mitgelesen hat, kann es sich vorstellen. Da der Fadenmarkt fast monatlich verschiedenste neue Produkte auf den Markt bringt, ist ein Arzt, der jetzt neu einsteigen möchte, von den ersten Lehreindrücken erschlagen. Auch wenn er das erste Fadenworkshop bereits durchgesessen hat, wird ihm der klare Durchblick fehlen. Die verschiedensten Fäden und Methoden, Möglichkeiten, Techniken und Tricks stellen keine neue interessante Seitennische dar, sondern eine ganze neue Fachrichtung, die man zum heutigen Stand nicht mehr nur durch ein paar Wochenend- Workshops erlernen kann. 

Bild 1: Die Patientin litt schon lange unter ihren roten Äderchen. Nicht immer helfen die üblichen Methoden, denn der Druck des Blutes in den winzigen Äderchen kann die kleinen Lötstellen von Blitzlampen oder Laser wieder öffnen. Hingegen kann das Einlegen von winzigen PDO Fädchen nicht nur die Gefäßchen unsichtbar machen, sondern auch die Haut darüber festigen und verjüngen.

Bilder 2 und 3: Fädchen werden sowohl im Kinn-Kantenbereich, als auch am Hals eingelegt.

Bild 4: Die Patientin wollte ein paar Fädchen zur Auffrischung ihrer müden Haut. Die Nadeln wurden aber nicht gleich entfernt, sondern weiter genützt, da sich die Patienten zusätzlich ein „Vampirlifting“ wünschte: Blut wurde abgenommen, zentrifugiert und der gelbe aktive Plasma-Anteil über die Öffnungen der bereits gesetzten Nadeln ohne Schmerzen in die Haut gespritzt.

Fotos: Archiv/Doris Grablowitz

 

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