Der letzte Weg zu reiner Haut: Kann ein umstrittenes Medikament helfen?

Vorbildlich den Beipackzettel entrollt, stößt der Patient auf eine lange Auflistung von Nebenwirkungen, in der unter anderem die Rede ist von Depression, psychotischen Beschwerden, Krampfanfällen und in seltenen Fällen sogar Selbstmordversuchen. Und das alles, weil man mit schwerer Akne zu kämpfen hat, die Gesicht und womöglich auch den Oberkörper entstellt. Als ob diese Hautirritationen nicht schon genug Selbstzweifel verursachen würden. Ausgerechnet dieses Medikament soll nun gegen die Erkrankung eingenommen werden? Für viele Menschen, die bereits mit etlichen Waschcremes, Peelings oder alternativen Vitaminpräparaten erfolglos in den Kampf gegen Akne gezogen sind, ist das Medikament Ciscutan© die letzte Hoffnung.

Die wunderschöne Wunschhaut

Der von Dermatologen verschriebene Wirkstoff Isotretinoinsäure birgt jedoch tatsächlich nicht zu unterschätzende Risiken. Er wird deswegen auch nicht bei normalen Pubertätspickeln verschrieben, sondern bei Formen schwerer Akne. In Online-Foren reihen sich Erfahrungsberichte nebeneinander, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Während einerseits von juckenden Hautausschlägen an den Händen und keiner nachhaltigen Verbesserung berichtet wird, findet man an anderer Stelle schlicht beneidenswerte Aussagen wie „Meine Haut ist jetzt wunderschön.“ Die systematische Isotretinoin-Therapie führt, wie in jenem erfolgreichen Fall, zur Verkleinerung der Talgdrüsen und Abheilung der Akne. Weil dabei die Hornschicht abgetragen wird und unten liegende Keime an die Oberfläche treten, kann es kurzweilig zu einer scheinbaren Verschlechterung kommen, bis sich der gewünschte Effekt zeigt. Einer Studie aus dem Jahr 1998 zufolge, liegt die Rückfallrate drei Jahre nach der ersten Therapie jedoch bei 61% der behandelten Fälle.

Was sagen PerfectDoc-Experten dazu?

„Ciscutan sollte Patienten verschrieben werden, die bereits mit Antibiotika sowie äußerlich behandelt wurden, deren Krankheitsbild sich jedoch therapieresistent zeigt“, so Dermatologin Univ.- Prof. Dr. Jolanta Schmidt (Bild u.). Außerdem sind Ärzte dazu verpflichtet, einen negativen Schwangerschaftstest weiblicher Patienten sowie eine Unterschrift einzufordern, mit derer eine sichere Verhütung bestätigt wird, denn der Wirkstoff kann beim ungeborenen Kind zu schweren Fehlbildungen führen. Eine Schwangerschaft gilt es daher unbedingt zu vermeiden. Weil das Medikament außerdem Blut- und Leberwerte des Patienten negativ beeinflussen kann, sollten während einer mehrmonatigen Therapie regelmäßig ärztliche Kontrollen durchgeführt werden. In der Regel dauert eine Ciscutan-Kur maximal 6-8 Monate. Im Endeffekt komme es aber auf die Gesamtdosis in Relation zum Körpergewicht an, so Dr. Schmidt.

Ein Medikament, das auf die Stimmung schlägt?

Wenn Depressionen familiär vorkommen oder schon in der Anamnese auftreten, ist bei der Einnahme des Medikaments Vorsicht geboten, ansonsten können sie als unrealistische Nebenwirkungen gelten. „Viel wahrscheinlicher ist eine Trockenheit von Haut und Schleimhäuten, auch die Lippen können spröde werden und Kontaktlinsenträger klagen manchmal über sehr trockene Augen“, meint Dermatologe Dr. Babak Adib (Bild o.). Weder er noch Fachärztin Dr. Hajnal Kiprov (Bild o.) haben selbst Erfahrungen mit Fällen, in denen der Wirkstoff tatsächlich Depressionen verursacht hätte. Dennoch hat Dr. Adib das Medikament jungen Mädchen, die unter Stimmungsschwankungen litten, in der Vergangenheit nicht verschrieben. Dr. Kiprov spricht sich im Allgemeinen für eine geringe Dosierung aus, denn schon bei täglich 5 mg zeigen sich oft deutliche Verbesserungen der Hautstruktur. Der Wirkstoff Isotretinoin wirke im Gegensatz zur lange vorherrschenden Meinung sogar wundheilfördernd, doch zu hohe Dosen führen zu Nebenwirkungen.

Schonende Alternativen

Bei weniger schweren Formen der Akne können Cremen mit Vitamin-A-Säure oder Fruchtsäuretherapien helfen. Wenn innerhalb von zwei Monaten keine Besserung eintritt, führt der nächste Schritt normalerweise zu einem speziellen Antibiotikum, welches mindestens zwei bis drei Monate verabreicht werden sollte, um eine Wirkung beobachten zu können. „Ich bin gegen Monate langes Verabreichen von Antibiotika. Was bei leichten Fällen genügen mag, hat bei chronischer Akne keinen therapeutischen Effekt“, so Dr. Kiprov kritisch.

Ciscutan zur Porenverfeinerung

Während manche Dermatologen auf das Medikament schwören und es in geringer Dosis auch Patienten – meist Frauen und Männern im fortgeschrittenen Alter – verschreiben, die nicht unter Akne leiden, sondern sich schlicht ein ebenmäßigeres Hautbild wünschen, empfinden andere dies als leichtsinnig. „In solchen Fällen halte ich eine medikamentöse Behandlung nicht für notwendig. Stattdessen sind äußere Lokaltherapien zu empfehlen, wenn wirklich nur die Epidermis, also die oberste Hautschicht, betroffen ist“, erklärt Dr. Schmidt. Sofern eine solche Therapie zur Porenverfeinerung in geringen Dosen stattfindet, sieht Dr. Kiprov hier hingegen keine Gründe gegen die Einnahme von Ciscutan. Auch bei Altersakne und vergrößerten Poren durch schwaches Bindegewebe erziele man tolle Erfolge. Sie selbst nehme jetzt 5 mg täglich zu sich. „Dann kann ich wirklich aus eigener Erfahrung sprechen“, sagt sie und lacht. 

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