Umstrittene Theorie: Hunger als Jungbrunnen fürs Gehirns

Der Magen knurrt wiedermal im unpassendsten Moment und man sehnt sich ein Nusskipferl herbei. Womöglich werden Sie dieses Hungergefühl zukünftig begrüßen, denn das dabei ausgeschüttete Stoffwechselhormon Ghrelin beeinflusst nicht nur das menschliche Appetit- und Sättigungsgefühl, indem es Signale vom Magen an das Gehirn sendet, es liegen nämlich Befunde vor, wonach das Hormon nebenbei eine erstaunliche Wirkung auf Nervenzellen im Gehirn habe, weswegen ihm Forscher nun vermehrt Aufmerksamkeit schenken.

Fasten verbessert den Gesundheitszustand

Nicht nur Naturheilkundler vertreten die Ansicht, dass Fastenkuren zahlreiche positive Auswirkungen auf den Organismus haben –Blutdruck und Insulinresistenz sinken, Diabetes- und Rheumabeschwerden sowie chronische Schmerzsyndrome wie Migräne bessern sich. Wenn wir auf Essen verzichten, ist die Ghrelinausschüttung nachweislich erhöht, man verspürt ein Hungergefühl – und genau hier hakt eine Arbeitsgruppe britischer Wissenschaftler um Dr. Jeffrey Davies ein, die noch einen anderen Effekt zeitweiligen Hungerns zu beobachten meint.

Die Wirkung Ghrelins auf Hirnzellen

Ghrelin, ein Hormon, das den Appetit reguliert, fördert nach Erkenntnissen der britischen Arbeitsgruppe das Wachstum neuer Hirnzellen und schützt die Zellen außerdem vor zerstörerischen Umwelteinflüssen und verlangsamt auf diese Weise deren Alterungsprozess. Viele Untersuchungen zeigen, dass das bei Hunger ausgeschüttete Hormon die Denkleistung verbessern kann – zumindest bei Nagetieren. Mäuse, denen Ghrelin gespritzt wurde, schneiden bei Lern- und Erinnerungstests besser ab und bei späterer Sektion ihrer Gehirne lassen sich vermehrt neuronale Verschaltungen nachweisen.

Zwar lassen sich die Erkenntnisse nicht direkt auf Menschen übertragen, doch konnte die Forschungsgruppe der Swansea Universität auch in der Petrischale unter dem Einfluss Ghrelins zeigen, dass Hirnzellen sich teilen und vervielfachen. Wenn sich die Abläufe im Gehirn genauso abspielen, würde das für eine verbesserte Hirnfunktion sprechen, denn junge Nervenzellen gelten als leichter erregbar, was die Bildung neuer Gedächtnisinhalte steigert.

Hoffnung für Parkinsonforschung

Vor allem für die Parkinsonforschung sind diese Ergebnisse von Interesse. Denn in der neusten Studie konnte Davies zeigen, dass das Hungerhormon Dopaminzellen vor biochemischen Störungen schützen kann. Parkinson, eine neurologische Erkrankung, geht nämlich einher mit einem starken Verlust von Dopamin produzierenden Nervenzellen und hat zur Folge, dass Betroffene die Kontrolle über ihre Motorik verlieren.

Kein Sofort-Effekt nachweisbar

Diese Verbesserung kognitiver Leistungsfähigkeit ist aber unter Experten umstritten, widersprüchliche Expertenmeinungen liegen vor. Forscher vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München haben 2016 die Auswirkungen von Ghrelin auf das räumliche Lernen und weitere „Hirnsport-Disziplinen“ bei 21 männlichen Probanden untersucht. Auf einer digitalen Route mussten diese sich Begriffe merken – der einen Gruppe wurde vorab Ghrelin verabreicht, der anderen ein Placebo. Tags darauf sollten sie sich an die Begriffe erinnern mit dem Ergebnis, dass keine Unterschiede zwischen den Gruppen festgestellt werden konnten. Ghrelin ist also keine Wunderdroge, aber Langzeitwirkungen sind damit noch nicht widerlegt. Diätwillige, die ihre Kalorienzufuhr konsequent drosseln, dürfen sicher nicht mit einer rasanten Verbesserung der geistigen Leistungsfähigkeit rechnen, denn bis neue Hirnzellen ihre Arbeit aufnehmen, vergehen Tage oder Wochen. 

Foto: Shutterstock/Inspiration GP

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