Der Monat September gilt international als der Bewusstseinsmonat für Gefäßerkrankungen.
Besonderes Augenmerk fällt dabei auf Aortenerkrankungen – konkret auf Aortenaneurysmen und Aortendissektionen, die, wenn nicht rechtzeitig behandelt, tödlich verlaufen können.
Gemeinsam mit dem Bauchaorten-Aneurysma (eine krankhafte Erweiterung der Gefäßwand der Bauchschlagader) stellt die Aortendissektion (ein teilweiser Riss in der Wand der Aorta) den häufigsten Aortanotfall dar. Eine Aortendissektion kann Erwachsene jeden Alters betreffen. So ist sie die mit Abstand wichtigste Ursache für Aortennotfällen bei Schwangeren.
Aortendissektionen treten jährlich bei 1-3 Menschen von 100.000 in der österreichischen Bevölkerung auf. Eine akut behandelte wie nicht behandelte Aortendissektion bedarf einer lebenslangen Nachsorge, ein Teil der Patient:innen entwickelt auch noch nach Jahren behandlungsbedürftige Veränderungen an der Aorta und ihren großen Ästen.
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Das Gefäßforum Österreich (GFÖ) hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Bewusstsein für Gefäßerkrankungen zu schärfen. Ist das Bauchaortenaneurysma bereits durch die jahrelange Awareness-Kampagne der Öffentlichkeit bekannt, so ist der Informationsstand über Aortendissektionen hingegen noch gering.
„Die spezielle Teilnahme am internationalen Aortendissektionstag soll dies nun ändern, mehr Aufmerksamkeit auf diese weniger bekannte Gesundheitsgefahr sowohl unter den Kolleg:innen als auch unter der Bevölkerung lenken und Solidarität, Verständnis und Unterstützung für Patient:innen und ihre Angehörigen erwirken, die unter den langfristigen physischen und psychischen Folgen dieser Erkrankung leiden“, erklärt Prim. PD Dr. Afshin Assadian, Vorstand Gefäßchirurgie Klinik Ottakring, wissenschaftlicher Sprecher des Gefäßforums Österreich sowie Past-Präsident der Österreichischen Gesellschaften für Chirurgie und Gefäßchirurgie.
Die Aorta ist die wichtigste Arterie im Körper. Sie transportiert Blut vom Herzen zu allen Organen. Der erste Teil der Aorta verlässt das Herz und verläuft frontal in Richtung Brustkorb zum Hals. Hier biegt sie sich nach hinten und verläuft abwärts im Brustkorb bis sie sich in Nabelhöhe in die beiden Beckenarterien teilt.
Eine Aortendissektion entsteht durch einen teilweisen Riss in der Wand der Aorta, der sich dann entlang der Aorta zwischen den Schichten der Gefäßwand ausbreitet. Dadurch kann es zu einer Erweiterung und in weiterer Folge dem Platzen der Aorta oder einer Unterbrechung der Blutversorgung lebenswichtiger Organe kommen. Wenn der Riss im ersten, aufsteigenden Teil der Aorta auftritt, spricht man von einer Typ-A-Dissektion. Wenn er in der Aorta im hinteren Teil des Brustkorbs – typischerweise begrenzt durch die linke Schlüsselbeinarterie – auftritt, handelt es sich um eine Typ-B-Dissektion.
Eine Aortendissektion ist eine relativ seltene Erkrankung mit einer geschätzten Inzidenz von 1-3 Fällen pro 100.000 Menschen pro Jahr in Österreich. Sie tritt häufiger bei Männern als bei Frauen auf und ist wahrscheinlicher bei älteren Erwachsenen, wobei die Mehrheit der Fälle bei Menschen über 65 Jahren auftritt. Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass eine Aortendissektion nicht ausschließlich auf diese Gruppen von Menschen beschränkt ist. Tatsächlich kann jede und jeder in jedem Alter von der Erkrankung betroffen sein.
Eine Aortendissektion kann Erwachsene jeden Alters betreffen. Sie ist eine wichtige Ursache für Todesfälle schwangerer Frauen. Eine Typ-A-Dissektion ist mit einer Sterblichkeit von 2 % pro Stunde vergesellschaftet. Typ-B-Dissektionen sind deutlich weniger gefährlich und führen selten unmittelbar zum Tod, haben jedoch langfristig Auswirkungen auf Lebensqualität und Überleben.
In den letzten Jahren gab es in der Diagnose, Akut- wie Langzeitbehandlung von Typ-A- und -B-Dissektionen bedeutende Fortschritte.
„In der Behandlung der Typ-A -Dissektion haben sich in der Herzchirurgie mehrere Erkenntnisse und Neuerungen in den letzten Jahren ergeben. Neben der Akutversorgung mit neuen Methoden wie dem Frozen Elephant Trunk (FET), die auch auf die sekundäre Behandlung in den weiteren Jahren im Sinne eines Lifetime Managements ermöglicht, da viele Patient:innen neben der akut bedrohlichen A-Dissektion auch eine B-Dissektion aufweisen. Zusätzlich haben sich neue personalisierte Operationsmethoden zur Vermeidung einer Typ-A-Dissektion bei Risikopopulationen etabliert“, so Assadian.
Obwohl Todesfälle während der Schwangerschaft sehr selten sind, sind 11 % der mütterlichen Todesfälle auf kardiovaskuläre Ursachen zurückzuführen, darunter auch Aortendissektionen. Diese Zahlen sollen sich bis 2050 nahezu verdoppeln. „Neue Therapien seltener Erkrankungen – sowohl akut als auch nach Jahren – müssen aktiv in der Bevölkerung und unter Kolleg:innen kommuniziert werden. Der 19. September ist eine Möglichkeit, über diese seltene Erkrankung mehr zu erfahren.
So hat sich in den letzten Jahren eine frühe Stenttherapie auch bei „unkomplizierten“ Typ-B- Dissektionen, also jenen ohne Ruptur oder Durchblutungsstörung kritischer Organe, als eine sichere Methode zur Vermeidung von Langzeitkomplikationen in Zentren etablieren können“, so Assadian. „Mindestens so wichtig wie eine frühe Diagnose und Therapie ist die Anbindung von Patient:innen in Zentren um gefährliche Veränderungen der Aorta auch noch nach Jahren früh erkennen und sicher behandeln zu können“, so Assadian.
Wie macht sich eine Aortendissektion bemerkbar?
Eine akute Aortendissektion kann sich mit vielen Symptomen präsentieren und eine beängstigende Erfahrung sein. Die meisten Menschen mit Aortendissektion beschreiben starke Brustschmerzen, die bis in den Rücken ausstrahlen können und sogar bis in den Bauch- und Nackenbereich reichen können. Der Beginn der Schmerzen ist plötzlich und die Schmerzen sind in der Regel zu Beginn am stärksten. Die reine Intensität der Schmerzen während einer Aortendissektion verursacht oft ein Gefühl ernster Panik und Angst.
Die Schmerzen bei einer Aortendissektion können jedoch auch kommen und gehen. Es ist wichtig, sofort medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn der Betroffene glaubt, Symptome einer Aortendissektion zu haben. Dieser Zustand kann lebensbedrohlich sein, wenn er nicht rechtzeitig behandelt wird. Obwohl eine Aortendissektion eine sehr beängstigende Erfahrung sein kann, ist es wichtig zu beachten, dass mit einer frühzeitigen Diagnose und rechtzeitiger Behandlung akute und lebensbedrohliche Komplikationen sowie Langzeitkomplikationen verhindert werden können.
Kann eine Aortendissektion geheilt werden? – Diagnose und Behandlung
Obwohl eine Aortendissektion nicht geheilt werden kann, stehen Behandlungen zur Verfügung, die helfen können, Symptome zu kontrollieren und Komplikationen der Erkrankung zu begrenzen. Je nach Art und Schweregrad der Aortendissektion kann die Behandlung von Lebensstiländerungen oder Medikamenten bis hin zu chirurgischen Eingriffen oder einer Kombination von katheterbasierten Interventionen reichen. Die gute Nachricht ist, dass eine Aortendissektion erfolgreich behandelt werden kann, um den Patient:innen ein längeres und besseres Leben zu bieten, wenn sie eine korrekte Diagnose erhalten und sofort medizinische Hilfe in Anspruch nehmen.
Für die Diagnose einer Aortendissektion ist eine Computertomografie (CT)-Untersuchung erforderlich. Die Symptome, die mit einer akuten Aortendissektion verbunden sind, können Stunden oder Tage anhalten. Nach der Behandlung bleibt bei den meisten Patient:innen ein Teil ihrer Aorta dissezierend zurück. Es ist wichtig, dass dies mit regelmäßigen Scans überwacht wird und Ratschläge zur Behandlung einer Aortendissektion eingeholt werden.
Die wirksamste Behandlung für eine Aortendissektion ist eine umgehende medizinische Versorgung. Diese umfasst in der Regel Medikamente zur Kontrolle der Herzfrequenz und des Blutdrucks sowie eine Operation zur Reparatur der geschädigten Aorta.
Die Reparatur einer Aortendissektion kann auf verschiedene Weisen erfolgen, abhängig von der Art und dem Ort der Dissektion sowie dem Gesundheitszustand der:des Patientin:Patienten. Die beiden Hauptmethoden zur Reparatur einer Aortendissektion sind:
- Chirurgische Intervention: Bei dieser Methode wird die beschädigte Stelle der Aorta operativ repariert oder ersetzt. Es gibt zwei Haupttypen von Operationen für Aortendissektion:
a) Offene Operation – fast ausschließlich bei Typ-A-Dissektionen: Dies ist ein invasiver chirurgischer Eingriff, bei dem der Brustkorb geöffnet wird, um direkten Zugang zur Aorta zu erhalten. Der betroffene Abschnitt der Aorta wird repariert oder durch ein Implantat (Prothese) ersetzt. Dabei können auch Aortenklappe und Herzkranzgefäße, die mitbetroffen sein können, mitbehandelt werden.
b) Endovaskuläre Reparatur – akut nur bei Typ-B-Dissektion: Dies ist ein minimal-invasives Verfahren, bei dem ein Katheter durch eine Arterie eingeführt wird und zum Ort der Aortendissektion vorgeschoben wird. Dort wird eine Gefäßprothese (Stent) platziert, um die beschädigte Stelle abzudecken und die umgebende Aorta zu stabilisieren und Fluss- und Druckverhältnisse in der Aorta zu normalisieren.
c) Hybridverfahren: Eine Kombination aus katheterbasierten und offen chirurgischen Verfahren.
Dabei wird wie zum Beispiel beim Frozen Elephant Trunk (FET) die aufsteigende Aorta chirurgische ersetzt und an die Prothese angehängt ein Stentgraft in die absteigende - meist dissezierte Aorta – vorgeschoben. Diese Stent kann dann in der Zukunft als Anker für weitere katheterbasierte Therapien dienen und so eine deutliche Verbesserung der Langzeitergebnisse für Patient:innen ermöglichen.
Ähnlich können auch bei Typ-B -Dissektionen Teil der der Operation, die katheterbasiert nicht oder nur mit schlechten Langzeitergebnissen möglich wären, mit Stentverfahren kombiniert werden.
- Medikamentöse Therapie: Neben der chirurgischen Intervention werden auch Medikamente eingesetzt, um den Blutdruck zu kontrollieren, die Herzfrequenz zu regulieren und das Risiko weiterer Risse der Aorta zu reduzieren. Dazu gehören Betablocker, Kalziumkanalblocker und ACE-Hemmer sowie Sartane.
Wie kann ich eine Aortendissektion verhindern?
Menschen mit einem höheren Risiko für eine Aortendissektion sollten besonders auf die Anzeichen, Symptome und präventiven Maßnahmen achten, die erforderlich sind. Das Wissen um die mit einer Aortendissektion verbundenen Risikofaktoren ist immer ein guter Ausgangspunkt: Hoher Blutdruck, familiäre Vorgeschichte von Aortenerkrankungen, Bindegewebserkrankungen, bikuspide Aortenklappen und körperliche Anstrengung können alle das Risiko für ein Ereignis einer Aortendissektion erhöhen. Regelmäßige präventive Betreuung durch Ihre:Ihren Ärztin:Arzt zu suchen, ist ein wesentlicher Schritt, um eine Aortendissektion zu verhindern., Wichtig ist außerdem die Überwachung der Blutdruckwerte im Laufe des Tages und die Umsetzung von Lebensstiländerungen zur Bewältigung möglicher zugrunde liegender Ursachen, die zu Hypertonie führen können, wie Gewichtsverlust und Erhöhung des körperlichen Aktivitätsniveaus. Das Beachten dieser einfachen Vorsichtsmaßnahmen kann einen großen Unterschied bei der Verhinderung einer Aortendissektion machen. Für einige Patient:innen mit einer erblichen Ursache für eine Aortendissektion kann eine Operation empfohlen werden, um das Auftreten einer Aortendissektion zu verhindern.
Lebenslange Krankheit Aortendissektion – kontinuierliches Monitoring notwendig
Nach einer Aortendissektion ist ein entscheidender Teil der Genesung einer:eines Patientin:Patienten das kontinuierliche Monitoring. Dies beinhaltet regelmäßige Scans zur Überwachung der Aorta. Die Zusammenarbeit mit einer:einem Aortenspezialistin:-spezialisten, um einen personalisierten Genesungsplan zu erstellen, der alle Risikofaktoren berücksichtigt, kann dazu beitragen, das bestmögliche Ergebnis zu gewährleisten. Die Konzentration auf einen Check-up-Zeitplan kann eine gute Möglichkeit sein, den Fortschritt bei der Genesung von einer Aortendissektion im Auge zu behalten und sich beruhigt zu fühlen, dass alle richtigen Schritte unternommen werden.
Über das Gefäßforum Österreich
Das Gefäßforum Österreich wurde im April 2011 als gemeinnütziger Verein mit der Hilfe von österreichischen Spitzenmediziner:innen und Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben gegründet. Es ist die erste interdisziplinäre Gesundheitsplattform für Patient:innen zum Thema Gefäßerkrankungen und folgt dem Motto „Gefäße sind Leben!“. Gründungsanlass war die besorgniserregende und dramatische Zunahme an Gefäßerkrankungen in Österreich. Das Gefäßforum Österreich (GFÖ) sieht es daher als seine gesellschaftliche Verantwortung und Aufgabe, öffentlichkeitswirksame und gesundheitspolitisch nachhaltige Maßnahmen zu setzen. Prominente Unterstützer*innen des GFÖ sind Peter Rapp, Dr. Franz Vranitzky, Dr. Claus Raidl, Dagmar Koller, Dr. Christoph Swarovski, Samy Molcho, Heinz Marecek und Dr. Heinz Bachmann.
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